Application News

Glückauf - 200 Jahre Steinkohlenbergbau in Deutschland

Am 21. Dezember 2018 geht mit der Schließung des letzten deutschen Steinkohlenbergwerkes, Prosper-Haniel, eine mehr als 200-jährige deutsche Industriegeschichte zu Ende.

Der Steinkohlenbergbau mit seinen hohen Gewinnungsvolumen aus großen Teufen stellte über viele Jahrzehnte besondere Herausforderungen an die Fördertechnik, insbesondere auch an die Vertikalförderung. Die deutschen Hersteller der Schachtfördertechnik, welche in der heutigen SIEMAG TECBERG group aufgegangen sind, entwickelten mit großer Leidenschaft über Jahrzehnte hinweg immer wieder technische Innovationen, die bis heute den technischen Standard weltweit prägen.

Der Druck auf die deutsche Steinkohlenproduktion, wirtschaftlicher und sicherer zu werden, hat die Mechanisierung und Kapazitäten der Bergwerke insbesondere nach den 1960er Jahren angetrieben. Die Abnahme des Bedarfs an „Hausbrand“ machte die Förderung von Stückkohle, die nach Möglichkeit in Wagen ohne Umladen vom Streb bis über Tage gefördert wurde, weniger wichtig. Bandanlagen, die Schachtförderung in Skips mit hohen Förderkapazitäten und damit die Spezialisierung der Förderanlagen wurden vorangetrieben. Während in Deutschland die Erhöhung der Fördergeschwindigkeit schon früh die technisch sinnvollen Größenordnungen erreichte, ging es vorwiegend um die Erhöhung der Nutzlasten, die mit Mehrseil-Fördermaschinen realisiert werden konnten.

Eine Vielzahl von Herstellern für die unterschiedlichsten Gewerke waren an diesem Ausbau von Bergwerken beteiligt, sowohl in den Bergbaugesellschaften an Ruhr und Lippe, am Niederrhein, in Westfalen, an der Saar und auch im Aachener Raum.

Nachstehend genannte Maschinen und Anlagen stehen beispielhaft und allesamt als wegweisende Referenzen in der deutschen Steinkohle für die heutige SIEMAG TECBERG group, die ebenfalls die vollumfängliche Systemintegration der elektrischen Anlagen aus einer Hand vorantrieb. Dabei legte der weltweite Marktführer für Schachtfördertechnik seinen Fokus auf die zunehmenden Ansprüche an die sicherheitsrelevanten Ausrüstungen mit höchsten Standards, wie Bremsanlagen, Übertreib- und Abbremseinrichtungen, und den umfangreichen technischen Service.

Die Herausforderungen dieser Jahre, wie die Um- und Ausrüstung von reinen Produktionsschächten mit Skipanlagen, beispielsweise die Realisierung der Schachtanlage Consol 3, wo eine einzige Doppel-Skipanlage eine Förderleistung von über 1.300 t/h aus fast 1.200 m Teufe erreichte, wurde erfolgreich gemeistert. Eine 6-Seil KOEPE-Fördermaschine und Fördergefäße mit bis zu 40 t Nutzlast bildeten für Jahrzehnte den internationalen Benchmark der Schachtfördertechnik. Diesem hatten lange Erfahrungen, vielfältige technische Evaluierungen und innovative Ideen den Weg bereitet.

Fördertürme mit Mehrseil-Fördermaschinen wurden in dieser Zeit bevorzugt gebaut. Im Zug von Umbauten kamen aber auch moderne Fördergerüste zum Einsatz, die meist als wartungsarme Kastenträgerkonstruktionen ausgeführt wurden und die mit geringerer Umbauzeit realisiert werden konnten.

Der Schacht 1 des Bergwerks Fürst Leopold war eine besonders bemerkenswerte Umrüstung. Das vormalige Fördergerüst wurde während der weiteren Nutzung mit einem modernen Gerüst überbaut, dann der Schacht mit den Einbauten für vier Förderkörbe komplett geraubt und eine seilgeführte zweitrümige Skip-Förderung für eine Kapazität von über 1.000 t/h eingebaut. Eine vorhandene 4-Seil KOEPE-Fördermaschine wurde umgesetzt und leistete danach als erste große Flurmaschine weiterhin zuverlässige Dienste. Seitdem wurde diese Anordnung zunehmend auch bei Mehrseilanlagen gewählt.

Beim Bergwerk Neu Monopol wurde ein großes Bockgerüst realisiert, bei dem die vier Seilscheibensätze übereinander angeordnet wurden, um den Raum für die Korbförderung und die doppel-trümige Skip-Förderung optimal zu nutzen und die Maschinen in einem gemeinsamen Maschinenhaus unterbringen zu können. Die 3- und 4-Seil KOEPE-Fördermaschinen waren weitgehend baugleich, insbesondere die drei Motoren waren untereinander austauschbar. Dabei kamen weltweit erstmalig große, praktisch wartungsfreie Drehstrommotoren zum Einsatz, die über Direktumrichter frequenzgeregelt wurden und damit die sonst bei Direktantrieben übliche Gleichstromtechnik abzulösen begannen.

In den 1980er Jahren wurden fast ausschließlich Außenschachtanlagen im Zug der Norderweiterung der Bergwerke gebaut, die als Material- und Seilfahrtanlagen die Versorgung der Abbaubereiche sicherzustellen hatten. Dabei wurden besonders augenfällige Gerüste als Landmarken realisiert, wie beispielsweise an den Schächten Auguste Victoria 8, Romberg, Voerde und Hünxe oder an der Saar auf Göttelborn und Ensdorf.

Am Schacht Romberg wurde weltweit erstmalig eine 4-Seil-Fördermaschine mit integriertem Drehstrommotor mit Außenläufer gebaut, deren Bauart sich durch besondere mechanische Stabilität und kompakte Bauweise auszeichnet. Die fördertechnische Anlage wurde später umgesetzt und kam am Schacht Lerche erneut zum Einsatz.

Am Nordschacht Ensdorf, der zuletzt die in der Steinkohle größte Teufe von ca. 1.700 m aufwies, wurde erstmalig ein Drehstromantrieb mit Zwischenkreisumrichter eingesetzt. Außerdem hat der Einsatz von Hydrotechnik bei der Kohleförderung und insbesondere bei der Klimatisierung der untertägigen Betriebe, z. B. durch den Drucktauscher P.E.S., die technische Reife dieser Technik befördert.

Die Beispiele zeigen, dass mit dem deutschen Steinkohlenbergbau die Entwicklung einer führenden Schachtfördertechnik einherging. Förderkapazitäten und technische Lösungen, die jahrzehntelang international führend waren, ebenso wie Ausrüstungen, die auch an Material- und Seilfahrtschächten eine besondere Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Lasten und Volumen erforderten, machten die deutschen Hersteller zu international führenden Anbietern.

Die Kapazitätsanpassungen in der deutschen Steinkohle und die zunehmende Ausrichtung der Hersteller auf den internationalen Markt erforderten eine Bündelung der Aktivitäten, die im Zusammengehen der Schachtfördertechnik in Deutschland – auch in Südafrika und den USA – ab den 1980er Jahren als strategische Ausrichtung bei der heutigen SIEMAG TECBERG group erfolgte.

Sowohl ein weltweites Netzwerk von Tochtergesellschaften und Kooperationspartnern als auch die einzigartig installierten Referenzanlagen von besonders leistungsfähigen Maschinen und Ausrüstungen sicherten der SIEMAG TECBERG group eine erfolgreiche internationale Entwicklung des Unternehmens. Besondere Erfolge konnten in China, Russland, Südafrika und Kanada verzeichnet werden, aber auch beispielsweise in Australien, Marokko, Spanien, in der Türkei und Vietnam. Dabei wurde und ist bis heute die Historie, Zuverlässigkeit und technologische Spitzenstellung des deutschen Bergbaus und die Leistungsfähigkeit der SIEMAG TECBERG group ein immer wiederkehrendes und wichtiges Entscheidungskriterium der unterschiedlichsten Kunden auf allen Kontinenten.

Selbstverständlich wird sich die SIEMAG TECBERG group die gemeinsame Tradition mit dem deutschen Steinkohlenbergbau und den einhergehenden zukünftigen Aufgaben der „Ewigkeitsverwahrung“ in den deutschen Steinkohlenrevieren bewahren und weiterhin begleiten.

Vorheriger Artikel Weitere Artikel Nächster Artikel
alt text